A2 Mohair
Flausch von den schönsten Ziegen der Welt
Maschenmode ohne Mohair ? Undenkbar ! Groß ist die Zahl der Liebhaberinnen dieses Garnes mit dem auffälligen Flausch-Effekt. Das schmückt.
Seltsamerweise bekommt man bei der naheliegenden Frage, welches Tier denn Mohair liefert, die meisten falschen Antworten oder gar keine. Vielleicht liegt es daran, dass Mohair ein Ziegen-Haar ist. Ziegen haben hier kein sonderlich gutes Image. Schafe haben es da besser. Ihre Lämmer sind Streicheltiere.
Aber gemach. Die Mohairziegen ragen weit über unsere schlichten Hausziegen hinaus. Man muss sie beim ersten Anblick eher für Schafe halten. Ihr Vlies ist überaus reichlich. Das Haarkleid ist sehr dicht, lang, flach gewellt, seidenweich und sehr glänzend. Eine Mohairziege im vollen Ornat ist ein herrlicher Anblick und verlockt mindestens ebenso wie ein Lämmchen zum Streicheln.
Nur haben wir hierzulande dazu keine Gelegenheit, denn Mohairziegen leben in weiter Ferne. Wir müssen uns zumindest in die Türkei bewegen, um ihnen zu begegnen. Dort wird ihre ursprüngliche Heimat vermutet. Diesen Hinweis gibt zumindest der lateinische Name „Hircus angorensis“, was soviel wie Angoraziege heißt. Angora ist eine türkische Provinz. Zum anderen ist uns der Name Angora vor allem im Zusammenhang mit Angora-Kaninchen geläufig. Um Begriffsverwirrungen zu vermeiden, bleibt die Bezeichnung Angora den Kaninchen vorbehalten. Die Ziegen heißen Mohairziegen, trotz „angorensis“.
Mit Mohair wurde sogar Politik gemacht
Den Mitteleuropäern wurde die Mohairziege erstmals im Jahre 1550 bekannt. Ein reisender Holländer hatte die Ziegen in der Türkei entdeckt und berichtete über ihr phantastisches Haarkleid. Fünf Jahre später lieferte der englische Pater Brown eine detaillierte Beschreibung dieser ungewöhnlichen Tiere.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Ballen Mohairwolle nach Europa verschifft und verarbeitet.
Um von den Türken unabhängig zu werden, versuchte man auch, die Tiere in Europa heimisch zu machen. Das wurde in Frankreich und Spanien versucht, misslang jedoch.
Das lag weniger an der Unfähigkeit europäischer Tierhalter, sondern an den besonderen Ansprüchen der Mohairziegen.
Die Tiere können sich schlecht anderen Lebensbedingungen anpassen. In der Türkei siedeln sie in 500 bis 1200 Metern Höhe. Die Sommer sind heiß und trocken, die Winter kalt. Sie lieben felsigen Boden und eine bestimmte Flora; niedriges Buschwerk und aromatische Pflanzen, wie zum Beispiel den wilden Thymian. Eichenblätter und Wacholder gehören auch zu ihren Lieblingsspeisen.
Feuchtes Klima macht die Tiere krank, Weiden und Wasser müssen sauber sein, weil die Ziegen extrem anfällig gegen Parasiten sind. All das können nur wenige Landstriche auf unserer Erde bieten.
Das Gerangel um die Mohairwolle ging bis in die hohe Politik. Die türkischen Sultane verboten den Export der Tiere und sogar der Wolle, die sie lieber in heimischen Betrieben verarbeiten ließen.
Der damaligen Weltmacht England ist es zu verdanken, dass die Wolle ab 1838 dann doch nach Europa kommen konnte. Geschmuggelt wurde natürlich schon vorher.
Dann meldete Südafrika sein Interesse an der Zucht an. Im Jahre 1839 verließen 12 Böcke und eine Ziege per Schiff die Türkei in Richtung Kap. Freilich hatten die Türken immer noch die Absicht, ihr Mohair exklusiv zu haben: Sie kastrierten die Böcke!
Ausgleichende Gerechtigkeit für diese Hinterlist: Die Ziege war trächtig - was den Türken entgangen war - und sie warf einen Bock ! So begann die Zucht in Südafrika.
1849 kamen dann die ersten Mohairziegen in die USA, nach Texas. Der Importeur Dr. J. B. Davis war allerdings zunächst der Meinung, er habe es mit Kaschmirziegen zu tun.
Wir kennen damit fast alle heute wichtigen Lebensräume der Mohairziege: Türkei, Südafrika, das Basutoland (ebenfalls Südafrika), Texas. Ferner leben Ziegen in Argentinien und Australien, wo die Zucht aber noch unbedeutend ist.
Die besten Qualitäten kommen aus der Türkei und Südafrika. Während die Türken ihre Ziegen wegen des rauen Klimas nur einmal im Jahr scheren können, geschieht das in den USA und Südafrika zweimal jährlich.
Pro Schur liefert eine Ziege ein Vlies von 1,5 - 2,5 Kilo Wolle. Die Farbe ist vorwiegend weiß. Daneben gibt es vor allem graubraune Mohairwolle, selten schwarze.
Die glatte Wolle filzt sehr schwer
Die Eigenschaften der bis zu 20 cm langen Mohairfasern sind denen der Schafwolle sehr ähnlich. Allerdings ist die Oberfläche der Haare sehr viel glatter. Daher der schöne Glanz. Andererseits filzt die Wolle der Mohairziege deshalb auch sehr viel schwerer als Schafwolle. Dennoch wird Mohair vor allem bei Hutstumpen gern in geringen Mengen mit verfilzt, weil der Stichelhaar-Effekt optisch recht reizvoll ist. Dickere Mohairfasern, die entsprechend robust sind, eignen sich dafür besonders gut.
Herausragend bei Mohairwolle ist weiter ihre ungewöhnliche Widerstandsfähigkeit und Robustheit: Sie nutzt sich nur schwer ab. Außerdem ist sie sehr knickelastisch, d.h. sie erholt sich von Knicken sehr schnell. Das ist der Grund dafür, warum Mohair sehr viel ohne jede Beimischung zu Mohair-Velours für Möbelbezüge verarbeitet wird. Dieses Material zerdrückt sich kaum.
Die schönen Effekte des Kid-Mohair
Bei Strickgarnen wird das Kid-Mohair bevorzugt. Es stammt von der ersten Schur der jungen Ziegen. Es ist feiner und weicher als das Haarkleid der älteren Ziegen. Dennoch bewirkt die Festigkeit der Faser, dass Mohair-Pullis, direkt auf der Haut getragen, leicht kratzen.
Für dieses kleine Handicap entschädigt uns der so beliebte Mohair-Effekt. Dabei ragen die Enden der Fasern mehr oder weniger lang aus dem Garn heraus und geben der Strickarbeit ein sehr flauschiges Aussehen. Weil die Mohair-Fasern sehr lang sind, lassen sie sich sehr fest in das Garn einbinden, obwohl sie wegen ihrer Glätte dazu neigen, aus dem Garn herauszurutschen.
Mohair wird vielfach mit anderen Fasern gemischt angeboten. Dabei genügt schon ein recht geringer Anteil von Mohair, um den oberen beschriebenen Effekt entstehen zu lassen. Eine Beimischung von Schurwolle beispielswiese bewirkt, dass das Garn insgesamt geschmeidiger wird.
Gerade wegen der Beimischungen ist beim Waschen sehr genau auf die Pflegesymbole zu achten. Im Zweifelsfalle sollte dabei immer so verfahren werden wie bei der Schafwolle. Einzelheiten dazu lesen Sie unter Schafwolle.